„Von Heut auf Morgen hat man kein Dach über dem Kopf“

Einblicke in die Lebenswelt einer wohnungslosen und alleinerziehenden Mutter

Frau A. verlor ihre Wohnung aufgrund einer Eigenbedarfskündigung. Die alleinerziehende Mutter war mit ihrer damals vier Monate alten Tochter fast ein Jahr in Wohnungslosigkeit. 

Das man bei einer Eigenbedarfskündigung einen Widerspruch einlegen kann, war der jungen Mutter damals nicht bewusst. So zog sie mit ihrem Kind aus, ohne eine neue Wohnung in Aussicht zu haben. Vorerst kam sie bei Freunden unter, doch um diesen nicht so sehr zur Last zu fallen, zog Frau A. mit ihrem Kind alle paar Wochen zu anderen Freunden. Die Hilfe, die die junge Frau von ihrem sozialen Umfeld bekam, war enorm. Jeder bot seine Hilfe an und es war selbstverständlich, die wohnungslose Frau mit ihrem Säugling aufzunehmen. 

[…] bin ich dann zu Freunden, zu Bekannten so hin und her gegangen. […] Das war monatelang so, aber Gott sei Dank, dass ich noch Hilfe gehabt habe, von anderen Menschen, die mich unterstützt haben. Die haben gesagt immer zu mir: »Fühl dich wie zu Hause, wir verstehen dich.« Das war für mich wie ein (…) Dieses Gefühl kann man nicht einfach so sagen.

Emotionale Belastung, Existenzängste und Selbstvorwürfe

Die Zeit der Wohnungslosigkeit hinterließen vor allem bei Frau A.s Tochter Spuren und schränkten das Kind in seiner freien Entwicklung ein.

[…] sie hat ihre Spielecke gebraucht. Sie hat diese Zeit gebraucht. Wo sie weiß, Kind, da schläfst du jetzt, das ist dein Bett, das ist dein Bereich. Das hatte sie nicht. Und das, das war für mich schwierig […] Ich kann überall jetzt hinlegen und schlafen. Aber ein kleines Kind, das versteht es nicht.

Aber auch für die junge Mutter war diese Zeit eine emotionale Achterbahnfahrt. Viele Selbstvorwürfe und Selbstzweifel machten sich bei ihr breit.

„Verlassen. Einsam. Man wusste nicht wohin. Ich habe mich geschämt. Trauer. Viel, viel dieser Hass in sich, sozusagen. Was machst du mit deinem Leben? Wieso kommst du nicht klar? Wieso kannst du nicht auf deinen eigenen Beinen stehen? Wieso machst du diese Fehler?“  

Die Scham, sich an die eigene Mutter zu wenden, machte die Zeit der Wohnungslosigkeit für Frau A. oft noch schwieriger und belasteten sie sehr. Sie wollte ihrer Mutter keine Sorgen bereiten.

„Ich wollte ja nicht gleich zu meiner Mutter wieder hinrennen und sagen: Ja, jetzt bin ich auf der Straße. Besser bei Freunden, als zur Mutter hinzugehen. Ich wollte auch keinen Druck für meine Mutter machen, dass sie sieht, dass ich auf der Straße bin mit meiner Tochter. Ich habe gesagt, mir geht’s immer gut. […] Aber meiner Mutter wollte ich nicht immer die Sorge geben.“

Fehlende Kooperation der Behörden und Ämter

Von Anfang an wandte sich Frau A. an verschiedene Behörden und Einrichtungen, um dort Hilfe in ihrer Notsituation zu bekommen. Die Kommunen schickten die hilflose Frau zu anderen Stellen, weil sie sich nicht zuständig für sie fühlten. Andere Einrichtungen waren für eine Aufnahme mit Kind nicht bereit und lehnten die Alleinerziehende ab. Durch eine Freundin wurde sie auf ihre jetzige Wohnung aufmerksam, welche von Anfang an zu teuer war. Trotzdem ging Frau A. zu dem Besichtigungstermin.

Als die Frage von Seiten der Vermieter zur Finanzierung kam, erzählte sie ihre Geschichte. Die Vermieterin lehnte sofort ab, da sie Angst hatte, Frau A. wäre durch ihren Arbeitslosengeld II-Bezug nicht in der Lage, diese Wohnung auf Dauer halten zu können. Doch der Ehemann der Vermieterin setzte sich für die junge Frau ein und überredete seine Frau letztlich mit der Bedingung, dass das Jobcenter die Miete der Wohnung direkt an das Vermieterpaar überweise. 

„Ich bin mehrmals hingegangen. Im Monat weiß ich nicht, wie viele Male ich da hin gegangen bin. […] im Empfangsbereich da habe ich gesagt, ok dann übernachte ich heute hier. Dann nehme ich einen Schlafsack und dann übernachte ich hier. Dann geh ich nirgendwo, weil sie mir nicht die Wohnung geben wollen […]

Wohnkosten übersteigen die Mietobergrenze

Erst durch die Hartnäckigkeit von Frau A. und mit der Unterstützung von ihrer Beraterin, konnte sie das Jobcenter überreden, die Wohnung trotz Mietobergrenze, zu genehmigen. Allerdings muss Frau A. die Kosten der überschrittenen Mietobergrenze selbst von ihrem Regelbedarf bezahlen, welche sich auf über 160,00 € belaufen. Viel Geld, was der alleinerziehenden Mutter in vielen Bereichen fehlt.

„Eine Frau braucht immer ab und zu so ein bisschen was für ihr Aussehen, dass sie ein bisschen schön aussieht (lacht). Ab und zu mal muss man auch zum Friseur gehen oder irgendwas. Das mache ich nicht. Ich verzichte auf mich also komplett, dass ich die Wohnung jeden Monat, dass die Miete bezahlt wird. […] wenn ich mit meiner Tochter irgendwo hin geh, wenn sie sieht, andere Kinder haben das und ich kann das nicht leisten, was die anderen Kinder haben. Dann sage ich nein, es geht nicht, dann muss sie verstehen. Und dadurch spare ich immer. […] beim Einkaufen musst du auch gucken z.B. wo man hin und her sparen kann, indem man auf den Preis achtet.

Zu teurer Wohnraum zwingt zum Wohnungswechsel

Die zu hohen Kosten für ihre Wohnung zwingen die junge Frau langfristig dazu, sich eine andere günstigere Wohnung zu suchen, eine Wohnung, die momentan kaum zu finden ist. Davon abgesehen wünscht sich Frau A. für sich und ihre Tochter, dass sie endlich ankommen darf und nicht schon wieder durch einen Wohnungswechsel neu starten muss.

Dann muss man sich wieder in der Wohnung einleben können. Es ist, wie soll ich das erklären, z.B. du ziehst irgendwo ein und sagst das ist mein Heim. Dann wirst du dich gut fühlen, wenn du Zuhause bist. Diese Geborgenheit und nicht nach ein paar Monaten oder nach 1,2 Jahren wieder ausziehen, dann wieder von vorne anfangen.“

Fehlender Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen

Menschen wie Frau A., die im Hartz-IV-Bezug sind, haben aktuell kaum eine Chance, eine geeignete Immobilie zu finden. Zu hohe Mieten und fehlender Wohnraum machen die Wohnungssituationen im Landkreis Reutlingen noch prekärer. 

„Die hohen Preise zuerst. Es gibt keine Wohnung, egal wo man sich bewirbt. Wer gut verdient, wer nicht so viele Kinder hat. Die gucken immer nach dem Lebenslauf oder keine Ahnung und danach entscheiden die, ja oder nein.

Unterstützung von Seiten der Kommunen  

Für Frau A. stehen die Kommunen im Landkreis in einer Bringschuld. Sie plädiert für mehr sozialen Wohnungsbau in Reutlingen, damit jeder die Chance auf angemessenen Wohnraum hat.

[…] die Stadt allgemein überall, sie kann Wohnungen bauen für alle Leute. Und dass die Miete auch normal begrenzt ist. Das jeder sich eine normale Wohnung leisten kann. […] was ich mir wünsche, dass jeder eine Wohnung findet. So schnell wie möglich. […]